Kiwan Choi, geboren 1985 in Seoul, Südkorea, begreift die existentielle Unruhe als den Ausgangspunkt seiner Kunst und als Anstoß zur Selbsterkenntnis. Seine künstlerische Auseinandersetzung beginnt mit dem Zweifel am traditionellen Konzept des „einen Subjekts“. Im Gegensatz zu gesellschaftlichen Normen, die Reinheit betonen und das Andere als Unreinheit betrachten, sieht er die ständig fragmentierte und im Austausch begriffene Identität des modernen Menschen als einen „möglichen Zustand des Seins“. Um diesen inneren Konflikt aufzulösen, dekonstruiert er starre Grenzen durch die Überlagerung von Wänden und Linien in einer flexiblen und dynamischen Bildsprache.
Die Wurzeln dieser Reflexion liegen in der emotionalen Prägung durch seinen Großvater. Dessen Sehnsucht nach seiner Heimat, die er im Koreakrieg verloren hatte, schenkte dem Künstler eine tiefe emotionale Verbindung zu den unsichtbaren Mauern und unüberwindlichen Grenzen der Teilung. Dies kreuzte sich mit Chois eigenem Leben als Fremder in seinen Zwanzigern in Deutschland und formte seine besondere Sicht auf den „Spielplatz“. Er begreift diesen interessanten öffentlichen Ort, der zwar einen Namen, aber keine Adresse hat, als Metapher für die Gesellschaft. Er erscheint oberflächlich offen und einladend, doch in seinem Inneren existieren subtile und schwer zu überwindende Grenzen. Die Erfahrung, in Deutschland als Ausländer und Asiate die unsichtbaren Grenzen zu spüren, die ihn von der Gemeinschaft trennen, wurde zum Ausgangspunkt für seine Erzählung über individuelle Grenzen und soziale Kategorien.
Choi sieht den Spielplatz als einen Ort, an dem Gastfreundschaft und Feindseligkeit zugleich existieren, und verknüpft dies mit den Gedanken von Jacques Derrida über die Unmöglichkeit der vollkommenen Gastfreundschaft. In der Erkenntnis, dass eine Welt, in der Schmerz, Leid und Ungleichheit des Anderen wirklich verstanden und geteilt werden, unmöglich ist, verfolgt er seine Arbeit als „Homo ludens“ – ein spielendes Wesen, das diesen unmöglichen, freudvollen und vollkommenen Ort der Gastfreundschaft erweitert. Während seine frühen Arbeiten auf „Grenzen und Ausgrenzung“ fokussierten, konzentriert er sich heute stärker auf die Art und Weise, wie Andere in ihrer Einzigartigkeit existieren und dennoch zusammenleben können – auf die „Freude und Harmonie des gemeinsamen Seins“.
In diesem Kontext wird das Konzept des „Auslöschens (Erased)“ zu einem weiteren wichtigen Begriff, der sein Werk durchdringt. Choi rekonfiguriert und arrangiert die fragile Stimmung der koreanischen Halbinsel in seinen „Erased“-Arbeiten neu und träumt dabei von einem Ort, der, obwohl ausgelöscht, Gastfreundschaft erfährt und Koexistenz ermöglicht. Seine „Erased“-Serie ist eine fortlaufende Hinterfragung der unvollständigen Welt. Er verinnerlicht die Kommunikation mit dem Anderen, die durch Grenzen ausgelöscht wurde und vielleicht unmöglich ist. Sein Arbeitsprozess ist eine Dekonstruktion dieser festen Grenzen. Basierend auf Fotografien von Spielplätzen und verbotenen Orten, vertauscht er kontinuierlich die Position von Subjekt und Hintergrund, lässt Kategorien verschwimmen und tauscht Farben sowie Bildelemente aus.
Choi’s Malerei beinhaltet die Reflexion über das, was verschwunden ist und verschwindet, und stellt fortwährend Fragen an unsere Welt, Gesellschaft und die menschliche Existenz. Seine Werke bewegen sich zwischen Konkretion und Abstraktion. Er fängt Momente ein, in denen gegensätzliche Elemente wie Rauheit und Zartheit, Dicke und Dünne, Klarheit und verschwommene Spuren kollidieren und harmonieren. Durch diesen Prozess der Dekonstruktion starrer Kategorien verschwindet die Unterscheidung zwischen Subjekt und Hintergrund, und es bleiben lediglich Spuren und Bewegungen auf der Leinwand zurück, die als gleichwertige Elemente existieren. Sein Werk strebt letztlich eine nicht definierte Bildsprache an, die einen „Zustand der Möglichkeit“ in sich trägt.